Wie eine künstliche Intelligenz für Fairness sorgt (Interview)

Hunderte Seiten der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) vor jeder Online-Bestellung lesen? Oder lieber von einer künstlichen Intelligenz (KI) prüfen lassen, ob ein Vertrag fair aufgesetzt ist? Klingt nach Science-Fiction? – Ist es wahrlich nicht. In Karlsruhe entstand ein Projekt beim Preisträger “KI-Champion Baden-Württemberg 2020”, das genau das möglich macht. Timo Haberl von der thingsTHINKING GmbH im Interview:

Ihre KI namens “semantha” wird bei dem Projekt “IstDasFair” verwendet. Doch was kann Ihre KI?

Timo Haberl: Seit unserer Gründung im Jahr 2017 aus dem KIT heraus arbeiten wir an der stetigen Weiterentwicklung von “semantha”. Wo man bei normalen Suchfunktionen genau das gesuchte Wort eingeben muss, kann unsere KI auf semantischer Ebene arbeiten und Texte auf Bedeutungsebene zusammenbringen. Dadurch kann man mit unserer KI zum Beispiel eine große Anzahl von Dokumenten auf Überschneidungen oder bestimmte Hot Spots hin überprüfen.

Wie ist das Projekt “IstDasFair” entstanden?

Timo Haberl: Folgender Fall bei uns im Unternehmen hat das Projekt eingeleitet: Ein Produkt wurde online bestellt, das Geld abgebucht, und drei Monate später wurde der Vertrag vonseiten des Händlers storniert. In diesen drei Monaten konnte der Händler jedoch mit dem Geld haushalten. Rechtlich ist das wasserdicht, allerdings fanden wir das überhaupt nicht fair dem Kunden gegenüber. Und das ist nur ein Beispiel unter vielen: Tagtäglich werden Verträge geschlossen, die man aufgrund von Zeitmangel nicht liest oder aufgrund des Fachvokabulars nicht vollständig versteht und dann Nachteile hat.

Was ermöglichen Sie mit “IstDasFair”?

Timo Haberl: Mit “IstDasFair” wollen wir das Thema KI sinnvoll nutzen, um Fairness in Form von – ich nenne es mal – “Waffengleichheit” sicherzustellen, dass also jeder das Recht hat, einen fairen Vertrag abzuschließen. Wer ein Dokument bei “IstDasFair” hochlädt, bekommt in Sekundenschnelle ein kommentiertes PDF- oder Word-Dokument zurück, wo genau ersichtlich ist, welche Stellen man sich nochmal anschauen sollte, da diese zum Nachteil des Verbrauchers sein könnten. Im Nachgang kann jeder für sich selbst entscheiden, ob ein Rechtsbeistand hinzugezogen werden soll oder nicht, da wir auf keinen Fall einen Rechtsanwalt ersetzen können. Wir können lediglich Hinweise geben.

Wie funktioniert “IstDasFair”?

Timo Haberl: Das Angebot bedient sich an einer Datenbank, die mit fairen und unfairen Passagen aus Vertragsdokumenten wie Arbeitsverträgen, aber auch AGBs etc. gefüllt ist. Die Inhalte der Datenbank stammen von Juristen und Fachexperten, die uns auch bei der stetigen Erweiterung dieser unterstützen. Mithilfe unserer KI “semantha” können wir dann auf Basis dieser Datenbank hochgeladene Dokumente auf Bedeutungsebene hin untersuchen.

Wie stellen Sie Datenschutz bei Ihrer KI sicher?

Timo Haberl: Bei Unternehmen, die mit sensiblen Daten umgehen müssen, läuft unsere Software “semantha” nicht in der Cloud, sondern tatsächlich beim Kunden selbst. Außerdem können wir “semantha” in jeder Branche Out-of-the-Box einsetzen, ohne die KI mit Dokumenten vom Kunden zu trainieren. Mehr zum Thema Datensicherheit kann man auch auf unserer Webseite einsehen, wo wir die ganzen Verschlüsselungsverfahren aufzeigen.

Wie wird es mit Ihrer KI und Ihrem Projekt “IstDasFair” weitergehen?

Timo Haberl: Wir möchten “semanthas” Funktionsumfang erweitern und sie als unterstützendes Werkzeug in anderen Branchen und Unternehmen implementieren. Bei “IstDasFair” herrscht ein ähnlicher Ansatz: Wir möchten die Datenbank schnellstmöglich erweitern, um noch mehr Themengebiete abdecken zu können. Außerdem soll das Thema noch mehr Aufmerksamkeit bekommen, um die nach wie vor vorherrschende Skepsis gegenüber KI zu ändern. Wir möchten nämlich aufzeigen, dass künstliche Intelligenzen für durchaus nützliche Vorgänge eingesetzt werden können.

Weitere Informationen zu dem Unternehmen und seiner KI finden Sie hier.

Das Angebot “IstDasFair” zur Dokumentprüfung können Sie hier aufrufen.