Der Bundestag hat das “Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts” angenommen, mit dem alle deutschen Geheimdienste die Befugnis zum Einsatz des Staatstrojaners für Überwachungszwecke erhalten. Wie netzpolitik.org berichtet, hat die Bundespolizei zudem die Erlaubnis, Staatstrojaner schon präventiv bei Personen einzusetzen, die noch keine Straftat begangen haben.
Trojaner sind vergleichbar mit einer digitalen Wanze, die auf den Endgeräten der Zielpersonen positioniert wird. Unterstützung sollen die Behörden dabei durch Telekommunikationsanbieter erhalten, die den Trojaner zum Beispiel in Downloads einspeisen. Durch die Installation soll den Behörden dann der “Zugriff auf laufende Kommunikation plus die Kommunikation, die vor Installation der Schadsoftware, aber nach Anordnung der Überwachungsmaßnahme stattgefunden hat”1, ermöglicht sein.
Laut dem Bundestag sei diese Anordnung wichtig, um die innere Sicherheit und Abwehr von Cyber-Kriminalität und Terrorismus durch die Anpassung an aktuelle technische Verhältnisse zu verbessern. Der Chaos Computer Club kritisiert unter anderem jedoch, dass für die Installation der Trojaner Sicherheitslücken im Gerät vorliegen müssen. Diese würden für den Einsatz von den Behörden ausgenutzt und blieben aufgrund der Geheimhaltung offen. Somit wäre auch immer ein Angriff durch Cyber-Kriminelle möglich.
In unserem Blog wurde Digitale Souveränität als das Bestimmungsrecht über alle (digital) erfassten persönlichen Daten definiert. Durch die unkritische Hinnahme von umständlich formulierten Nutzungsbedingungen von Anbietern digitaler Systeme betritt man meistens eine Endlosschleife der Ausbeutung, Überwachung und Manipulation. Wie sich diese Methode im Alltag zeigt, macht Robert G. Reeve mit mehreren Twitter-Posts deutlich.
Robert G. Reeve ist selbsternannter Autor, Designer und Datenschutztechniker. In einem Tweed berichtet er davon, wie er nach einem Besuch bei seiner Mutter Werbung für deren genutzte Zahnpasta-Marke anzeigt bekommt, ohne diese je verbal (oder in einem mobilen Endgerät) aufgegriffen zu haben.
Gleich zu Beginn stellt Reeve klar, dass Social-Media-Apps ihre Nutzer aufgrund von günstigeren Alternativen nicht belauschen, um Daten zu sammeln. Denn schon alleine durch die alltäglichen Funktionen häufen sich Daten an, die von den jeweiligen Unternehmen genutzt werden können: “Ihre eindeutige Geräte-ID. Ihr Standort. Ihre Demografie. […] Wann benutze ich meine Rabattkarte im Supermarkt? Jeder Einkauf? Das ist ein Datensatz zum Verkauf”, so Reeve (übersetzt aus dem Englischen).
Durch die Zustimmung der jeweiligen Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen ist es Anwendungen auch möglich, Verknüpfungen herzustellen und auszubauen. Reeve macht es folgendermaßen deutlich: “Befindet sich mein Telefon regelmäßig am selben GPS-Standort wie ein anderes Telefon, nehmen sie [Apps] dies zur Kenntnis. Sie [Apps] beginnen mit der Rekonstruktion des Netzes von Menschen, mit denen ich regelmäßig in Kontakt stehe” (übersetzt aus dem Englischen).
Auf Grundlage dieser aggregierten Metadaten werden Anzeigen basierend auf den Interessen der Leute um einen herum angezeigt, mit denen man regelmäßig in Kontakt steht. Bei Reeve ist es mit der Zahnpasta-Marke wohl folgendermaßen abgelaufen:
“So. Sie [Apps] kennen die Zahnpasta meiner Mutter. Sie [Apps] wissen, dass ich bei meiner Mutter war. Sie [Apps] kennen mein Twitter. Jetzt bekomme ich Twitter-Anzeigen für Mamas Zahnpasta. Bei Ihren Daten geht es nicht nur um Sie. Es geht darum, wie sie gegen jede Person verwendet werden können, die Sie kennen, und gegen Personen, die Sie nicht kennen. Um Verhalten unbewusst gestalten.“
Robert G. Reeve (übersetzt aus dem Englischen)
Mit diesem Beispiel wird deutlich, wie persönliche Daten für manipulative Werbezwecke genutzt werden (können). Obwohl es Möglichkeiten gibt, das Tracking von Apps zu blockieren, sollte man diese nicht unbedacht nutzen. Das neuste Update von Apple, das Reeve beispielsweise empfiehlt, blockiert zwar die Möglichkeit des Trackings externer Apps, trackt jedoch selbst weiter, wie Sie hier lesen können.
Man kann an diesem Beispiel festmachen, dass es Anbietern von Smartphones und Apps etc. durch die Analyse von Daten möglich ist, uns zu überwachen und unser Verhalten unbewusst zu gestalten. Denn ist es nicht wahrscheinlicher, dass Sie eine Zahnpasta-Marke kaufen, die Ihre Mutter nutzt und Ihnen als Werbung vorgeschlagen wird? – Meistens ja, und damit bestätigt sich die Philosophie der Datenkraken: Überwachung und Manipulation, womit schrittweise das Bestimmungsrecht über die eigenen Daten verloren geht.
In einem exklusiven Interview erzählen Berno Breitruck, Geschäftsführer der IT-Unternehmensberatung attempto, und Hermann von Brevern, Leiter der Niederlassung Karlsruhe, über die Bedeutung der fair.digital-Werte – nicht nur für das Unternehmen und die Branche, sondern auch für die Gesellschaft.
Welche Werte schätzen Sie selbst an Ihrem eigenen Unternehmen am meisten?
Hermann von Brevern: Besonders inspirierend finde ich die Art, wie wir partnerschaftliche Beziehungen zu unseren Kunden aufbauen, um langfristig einen Wert zu vermitteln. Dazu kommt die Energie unserer Mitarbeiter für Exzellenz und gute Zusammenarbeit. Als Organisation haben wir sehr flache Hierarchien auf kollegialer Ebene, bei denen Vertrauen, Innovation und Professionalität immer im Mittelpunkt stehen. Dadurch schaffen wir gemeinsam ein soziales Umfeld, in dem man gerne arbeitet.
Berno Breitruck: Den Wert des Vertrauens – besonders innerhalb unseres Unternehmens schätze ich am meisten. Das ist Motivation und Verpflichtung der gesamten Geschäftsleitung. Wir möchten unseren Kollegen in jeder Lebensphase eine Heimat geben und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit pflegen. Außerdem legen wir großen Wert auf die Weiterbildung und Kompetenzaufbau unserer Mitarbeiter – das ist der größte “Schatz”, den jeder Mitarbeiter für sich und seine Familie sukzessive aufbauen kann.
Innerhalb der attempto probieren Sie auch neue Wege aus und haben eine sogenannte Innovationsmanufaktur. Wie kann man sich diese vorstellen?
Berno Breitruck: Die attempto Innovations-Manufaktur ist ein system-immanenter Bestandteil der attempto. Seit der Gründung des Unternehmens vor 15 Jahren betreiben wir hier aktives Trendscouting und wurden bereits mehrfach für unsere innovativen Ideen und Produkte ausgezeichnet und prämiert. Auch die Erfahrungen aus dem Silicon Valley und China tragen dazu bei, Trends und technologische Möglichkeiten kennenlernen zu können. Dieses Wissen nutzen wir für Technologien, mit denen wir “IT for Good” schaffen und unsere Kunden zeitgemäß und transparent beraten zu können.
Hermann von Brevern: Wir wollen dieses Wissen bei allen Mitarbeitern verankern und sie dabei unterstützen, über den Tageshorizont hinauszudenken. Sie sollen einschätzen können, wofür ihre Tätigkeit wichtig ist, und was aus ihr in Zukunft erwachsen kann. Als Beratungsunternehmen müssen wir diejenigen sein die vorausgehen und auch mal “outside-the-box” denken, um gute und nachhaltige Lösungen zu finden. Nicht umsonst ist “Was morgen zählt” unser Motto, und dafür ist die Innovationsmanufaktur ein wichtiger Treiber.
Welche Innovationen haben Sie in der Innovationsmanufaktur schon herausgebracht?
Hermann von Brevern: Wir haben zum Beispiel schon 2008 die erste Bio-App entwickelt, die seitdem schon mehrfach ausgezeichnet und prämiert wurde. bio123 ist eines der führenden Branchen-Ökosysteme, das Warenwirtschaft, Kassensysteme und Produktdatenbanken vereint. Im Mittelpunkt stehen bei dem Portal die Regionalität und damit einhergehend die Schonung der Umwelt, verantwortungsvoller Konsum und das Schaffen eines Erlebnisses für den Verbraucher, da ein Zugang zu bisher wenig bekannten Produkten ermöglicht wird. Bio- und Regional-Erzeuger können sich kostenlos registrieren und ihr gesamtes Sortiment abbilden. Der Anbieter kann dann direkt mit seinen Kunden in Beziehung und in Kommunikation treten. Letztlich geht es hier auch darum, Menschen zusammen zu bringen.
Berno Breitruck: Ein weiteres Beispiel ist das Stresspräventionstool iCope. Es wurde in Zusammenarbeit mit einer namhaften Universität realisiert, ist klinisch wirksam und wurde bereits in der Praxis erprobt. Das kognitive Tool unterliegt mit seinem Online-Training gängigen Therapiemaßnahmen und soll bei der Verbesserung der Resilienz gegenüber Stresssituationen unterstützen. Das Ziel ist, dass das Tool künftig von Unternehmen und Organisationen ihren Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wird, um ihre mentale Gesundheit zu unterstützen. Ebenso wird unser Treeam Portal mit dem persönlich Ökdepot und CO2 Ausgleich auf Basis der Wiederaufforstung der Regenwälder wegweisend. Wir haben bereits einen eigenen attempto-Wald, dem sich andere Unternehmen angeschlossen haben.
Welche Stellung nimmt Datenschutz bei attempto ein?
Berno Breitruck: Datenschutz und Daten-Souveränität genießen höchste Priorität. Unser Bestreben ist es, die Einhaltung des Datenschutzes als Mehrwert in Bezug auf die Plattformökonomie und die Digitalisierung zu verstehen.
Hermann von Brevern: Datenschutz ist ein hohes Gut und gegenwärtig von mehreren Seiten unter großem Druck. Uns ist wichtig, dass Nutzer jederzeit im Blick haben, was mit ihren Daten passiert und die Hoheit über deren Verwendung behalten. Leider ist das im Augenblick nicht unbedingt Standard. Wir wollen hier aber keine Aktivisten sein, sondern Vorbilder. Wir möchten zeigen, wie man auch mit Datensparsamkeit Erfolg haben kann, und hoffen, dass unser Beispiel Andere inspiriert. Aus diesem Grund unterstützen wir Initiativen wie fair.digital, deren Werte wir voll und ganz teilen.
Wie sehen Sie die Rolle und Bedeutung von Datenschutz in der Gesellschaft?
Berno Breitruck: Meine Wahrnehmung ist, dass der persönliche Datenschutz beim Umgang einiger Apps zu leichtfertig ignoriert wird. Die Sorglosigkeit einiger Nutzergruppen beim Umgang mit den eigenen persönlichen Daten ist zum Teil erschreckend. Hier besteht der Auftrag des gegenseitigen Schutzes. Die Gefahr, die von künstlicher Intelligenz in diesem Zusammenhang ausgehen kann, darf nicht unterschätzt werden. Datenschutz und Daten-Souveränität hilft ergänzend auch bei der Unterbindung der monopolistischen Trends, die wir im Moment feststellen. Deswegen ist es für uns eine Verpflichtung, nicht nur Daten zu schützen, sondern auch das Thema Vielfalt und Diversität in der Digitalisierung aufrechtzuerhalten.
Hermann von Brevern: Als diejenigen, die mit Daten umgehen, haben wir eine moralische und rechtliche Verantwortung, der wir gegenüber unseren Nutzern gerecht werden müssen und wollen. Datenschutz ist aus unserer nationalen Historie bedingt als integraler Teil unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung anzusehen. Wie Herr Breitruck schon sagte, ist aber das Verständnis unserer Mitbürger im Bereich des Datenschutzes leider nicht immer ausreichend entwickelt. Deutlich wird dies, wenn zwar bei einem Staatsangebot wie der Corona-App (zu Recht) hoher Wert auf den Schutz der Daten gelegt wird, aber bei kostenlosen Angeboten von Amazon, Google, Facebook und Co. keinerlei Bedenken zur Verwendung der eigenen Daten aufkommen. Aber der Ansatz, nur durch Gesetze die Nutzer vor sich selbst und den Folgen ihrer naiven Freigiebigkeit zu schützen, greift auf die Dauer zu kurz. Es ist entscheidend, dass die Fähigkeit zur Selbstbestimmung und letztlich Mündigkeit der Bürger auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene gefördert wird, um eine nachhaltige Balance in der Verwendung von Daten zu erreichen.
Was hat Sie letztlich zur Beteiligung bei fair.digital angetrieben?
Berno Breitruck: fair.digital ist eine Mittelstandsinitiative – sie hat das Potential einen wichtigen Impuls in der Deutschen und Europäischen IT-Branche zu setzen. Das europäische Ökosystem muss so schnell wie möglich eigene “Werte digitalisieren” und durch eigene Innovationen weltweite Standards etablieren. Martin Hubschneider ist hier ein wichtiger Faktor und wir schätzen die vertrauensvolle Zusammenarbeit sehr.
Hermann von Brevern: Die Ideen von fair.digital sind einfach die Richtigen. Zusätzlich zu der vertrauensvollen Beziehung ist uns wichtig, mit dem Verein und der einhergehenden Selbstverpflichtung ein Signal zum Thema Datenschutz zu setzen. Einzig durch Eigeninitiative werden wir uns nach vorne bewegen und etwas verändern können.
Wie reagieren Ihre Kunden und Partner zu Ihrer Teilnahme bei fair.digital?
Berno Breitruck: Sowohl bei Studierenden mit denen wir in Kontakt stehen, als auch bei Unternehmen in deren Beirat ich bin, wird die fair.digital-Idee sehr positiv aufgenommen. Bei allen ist der Wunsch nach gemeinsamem Handeln angekommen. Wir müssen wieder auf das Spielfeld der internationalen Digitalisierung zurückkommen und dürfen unsere Gesellschaft nicht den Giganten der Branche schutzlos ausliefern.
Hermann von Brevern: Die Produktentwicklung und -zertifizierung macht bei uns als Unternehmensberatung nicht das Hauptgeschäftsfeld aus. Aber wir bringen das Thema an unsere Kunden und Mitarbeiter heran. Auch bei unseren Bewerbern stößt dieser Ansatz auf Interesse und Begeisterung. Denn fair.digital ist ein Teil der Antwort für mehr Digitale Souveränität des Einzelnen und der Gesellschaft.
Weitere Informationen zu dem Unternehmen attempto finden Sie hier.